Das verdient nicht viel Beachtung und wird – wie in der Wiener Sonn- und Montags-Zeitung am Tag nach der Premiere – allenfalls anerkennend erwähnt. Kein Wunder also, dass man den ersten Frosch vom 5. April 1874 nicht (mehr) kennt. Doch an diesem Abend konnten weder Alfred Schreiber noch der „Walzerkönig“ Johann Strauss ahnen, welche Theatertradition mit dieser Rolle verbunden sein wird.
Denn: Hätte man dem Komponisten die im Titel angeführte Frage gestellt, hätte er vermutlich etwas verdutzt geschaut und dann gesagt: „Na nehmen’s halt an Schauspieler der a bissl an Witz hat und sich den Text merken kann!“ Für Strauss bestanden nämlich seinerzeit die größten Probleme darin, dass er weder einen geeigneten Gesangskomiker für die Rolle des Eisenstein noch eine Koloratursoubrette für die Adele am Theater an der Wien zur Verfügung hatte. Für letztere fand man in Caroline Charles-Hirsch einen formidablen Gast, für ersteren musste man sich mit dem Ensemblemitglied Jani Szika zufriedengeben – was dem großen Erfolg der Operette allerdings keinen Abbruch tun sollte. Mittlerweile ist es für die Opernhäuser kein Problem mehr, geeignete Sänger:innen für die Partien der Fledermaus parat zu haben oder zu finden, aber die Suche nach einem geeigneten Frosch ist im Laufe der Zeit sehr viel diffiziler geworden. Das verwundert dann schon, wenn man bedenkt, dass der Frosch eben „nur“ eine Sprechrolle ist.
Und das ist das Ergebnis jener Theatertradition, die an einem Benefizabend im Theater an der Wien begründet wurde. An jenem verhängnisvollen 21. September 1878 übernahm der Volksschauspieler Alexander Girardi, der vier Jahre zuvor noch den Dr. Falke gespielt hatte, die Rolle des Frosch. Dabei warf der gerade mal 27-jährige Girardi sein ganzes komödiantisches Talent in die Waagschale und sorgte für Begeisterungsstürme im Publikum – was kein Wunder war, war der gebürtige Grazer doch das „enfant chéri von ganz Wien“ (Illustrirtes Wiener Extrablatt vom 22. September 1878). Mit dieser Darbietung setzte Girardi allerdings einen Standard, an dem die kommenden Frösche gemessen wurden. Es ist also seiner Schauspielkunst zu verdanken, dass die Rolle des Frosch eine derartige Aufwertung erfuhr, dass die Anforderungen an den und mittlerweile auch die Schauspieler:in exponentiell gewachsen sind: Man steht in einer (nunmehr) langen Schauspieltradition, muss das Handwerk beherrschen, Präzision und Timing für die Pointen perfekt aufeinander abstimmen und gleichzeitig so frei sein, dass man tagesaktuelle Bezüge problemlos und humorvoll in eine Vorstellung einbauen kann. Keine leichte Aufgabe also, weswegen die Besetzung wohl überlegt sein will und daher für ein gesteigertes Interesse in der Öffentlichkeit sorgt.
Das können Sie, werte:r Leser:in, ganz leicht an sich selbst beobachten. Welchen Frosch hatten Sie denn vor Augen, als Sie diesen Artikel zu lesen begonnen haben? Waren es vielleicht Reinhold G. Moritz oder Gernot Kranner die Sie in jener Produktion gesehen haben, die das Landestheater Linz vor zehn Jahren herausbrachte? Haben Sie vielleicht Peter Simonischek gesehen, der über eine Dekade lang den Frosch an der Wiener Staatsoper spielte? Beim Autor dieser Zeilen war es beispielsweise der 82-jährige Hans Moser, der in der Verfilmung der Fledermaus aus dem Jahre 1962 in diese Rolle schlüpfte. Man könnte die Liste an Fröschen noch mit Karl Farkas, Sigrid Hauser, Otto Schenk, Adi Hirschal, Cornelius Obonya und vielen mehr fortsetzen. Und das macht deutlich, wie exponentiell die Bedeutung des Frosch in der Fledermaus angewachsen ist.
In Anbetracht dessen, was Girardi aus der Rolle des Frosch gemacht hat, ist es nicht gerecht, den ersten Frosch Alfred Schreiber als „unzulängliche Besetzung“ zu bezeichnen, wie es der Fachliteratur entnommen werden kann. Dieses Urteil ergibt sich schließlich erst aus einer Rückschau, die einen Frosch kennt, den Peter Simonischek als „Nationalheiligtum“ direkt neben den Jedermann stellte. Apropos: Was wurde eigentlich aus Alfred Schreiber? Er übernahm 1875 die Direktion des Stadttheaters und der Arena in Baden bei Wien, dazu dann noch das Stadttheater Wiener Neustadt, wechselte 1886 nach Graz um 1891 wieder nach Baden zurückzukehren. Dort starb er am 9. September 1910.
Ein Aspekt sollte auch nicht unerwähnt bleiben. In Girardis Darbietung lag auch jene Keimzelle, die sich in der zweiten Wiener Operettenära* zu einem fixen Bestandteil einer Operette entwickeln sollte: den:die „3. Akt-Komiker:in“. Gerade in den letzten beiden Operetten am Landestheater konnte man wundervolle Beispiele davon erleben. Das komische Duo in Kálmáns Gräfin Mariza (Fürstin Bozena Cuddenstein zu Chlumetz und Penižek, ihrem Kammerdiener) oder Gräfin Stasa Kokozow in Lehárs Graf von Luxemburg.
* Leider wird in den Medien der von den Nationalsozialisten geprägte und forcierte Begriff der „silbernen Operettenära“ noch verwendet, womit die Leistungen der Komponisten Lehár, Fall, Kálmán, Stolz, Straus, Nebdal, Eysler uvm. auf beschämende Art und Weise geschmälert werden. Hier muss ein Umdenken stattfinden und das Bewusstsein geschärft werden.