Die Natur gerät zunehmend aus dem Gleichgewicht, jährlich verschwinden bis zu 58 000 Arten. Ich nehme an, dass diese Veränderungen auch Anforderungen an den Tiergarten Schönbrunn stellen.
Der Klimawandel ist ein großes komplexes Problem, auch die Vernichtung von Lebensraum, weil der Mensch gegenwärtig in der Population extrem wächst, und auch der grundsätzliche Anspruch des Menschen an Lebensraum, der immer mehr die natürlichen Lebensräume verändert.
Was bedeutet das für die Zoologischen Gärten im täglichen Betrieb?
Wir haben die Zoologischen Gärten auf vier Säulen gestellt: den Aspekt des Zoos an sich als Freizeitattraktion, und mit der gleichen Bedeutung haben wir uns dem Natur- und Artenschutz verschrieben. Als dritte Säule sehe ich die Bildung, also Naturbildung. Früher sind die Menschen an Bauernhöfen vorbeigegangen und haben die Produktion mitbekommen, das findet im immer urbaner werdenden Lebensraum in großen Städten überhaupt nicht mehr statt, und Zoos sollen daher auch außerschulische Lernorte sein. Und schließlich als vierte Säule die Forschung. Diese vier Punkte versuchen wir zu erfüllen und weiterzuentwickeln.
Eine Parallele zwischen einem Tiergarten und einem Theater sehe ich auch dahingehend, als sich beide Institutionen immer wieder die Frage stellen müssen, wie zeitgemäß sie und ihr Handeln noch sind. Wie stehen Sie dazu?
Von der Besucher:innenzahl gibt es keinen Anlass zu dieser Frage. Ich habe vor Schönbrunn den Tierpark Hagenbeck in Hamburg geleitet. Wir sind in Deutschland die größte Freizeitattraktion und haben mehr Besucher:innen als König Fußball. Wenn man sich die Entwicklung der Zoos vom Beginn ihrer wachsenden Popularität Ende des 19. Jahrhunderts ansieht, so haben sie eine massive Evolution erlebt. Wir haben im Vergleich zum Theater die große Herausforderung, dass wir unter unseren Gästen, also unter unseren Tieren, keine Kritiker haben, die wir verstehen können und sind auf unsere Interpretationen und natürlich unser Fachwissen angewiesen.
Ich bin jetzt seit zwanzig Jahren in der Tiergärtnerei tätig und eng vernetzt, auch weltweit. Ich glaube, dass sich die zoologischen Gärten diese Frage immer wieder stellen müssen. In einer immer urbaner werdenden Welt ist es von enormer Wichtigkeit, Tiergärten zu betreiben. Es ist und bleibt aber auch eine Herausforderung für uns. Im Zoo muss man sich einfach Zeit nehmen, um ein Tier zu beobachten. Man kann es dafür im Gegensatz zu Tierfilmen mit allen Sinnen erleben. Am schönsten ist es, wenn Besucher:innen mit offenen Augen durch den Zoo und die Natur gehen.