Man gewinnt manchmal den Eindruck, als würden sich bestimmte Politiker – in diesem Fall nur die männliche Form – wie Filmhelden oder Figuren in einem Internetspiel bewegen und auch so handeln. Sie haben auch im Multimedia-Bereich gearbeitet. Besteht Ihrer Meinung nach die Gefahr, dass manche die Realität nicht mehr von der künstlichen Welt, in der wir uns zunehmend aufhalten, unterscheiden können?
Ja, wenn man sich hauptsächlich in solchen Welten aufhält, geht sicher vieles an Realwahrnehmung verloren. Salvini und Trump scheinen ja fast nur noch auf Twitter unterwegs zu sein, leben in diesen Erregungsschleifen, die ständig befüttert werden müssen, um das Aufmerksamkeitslevel zu halten. Dadurch soll schneller Erfolg in der Wahrnehmung erzielt werden, aber die Auseinandersetzung mit komplexen Sachverhalten ist dabei eben nicht möglich. Ich denke, solche Mechanismen generieren Politiker und Politikerinnen, die keinen langen Atem mehr haben.
Ist es denkbar, dass auch die KünstlerInnen in die Gruppe der Minderheit gedrängt werden?
Wir spüren natürlich schon seit Jahren die Gefahr einer Prekarisierung, aber KünstlerInnen haben im allgemeinen immerhin gelernt, sich zu artikulieren. Ein aktuelles Beispiel ist der Versuch der FPÖ, das für die Geschichte der Gegenwartskunst nach 1945 zentrale forum Stadtpark in Graz zu schließen und durch ein sogenanntes „Literaturcafé“ zu ersetzen. Hier sollen ideologische Nägel mit Köpfen gemacht werden. Wenn Künste aber nur noch Geld einbringen und das Bedürfnis nach Eskapismus erfüllen sollen, dann verkommt der Kunst-
begriff zum Synonym für Unterhaltungs-
programm!
Trotz Ihrer keineswegs ermutigenden Analyse in Ihrem Essay Politik der Emotion plädieren Sie auch für Humor.
Sich selbst nicht so ernst zu nehmen ist für mich sehr wichtig. Humor und ein wenig Selbstironie würden viele zwischenmenschliche Konflikte entspannen. Es ist immer eine gute Voraussetzung. Mir fällt da oft Monty Pythons legendäre Songzeile aus „Always look on the bright side of life“ ein: „Just remember that the last laugh is on you“.
Im Linzer Landestheater stehen in dieser Spielzeit viele starke Frauenfiguren auf der Bühne, Isolde, Elektra und Penthesilea, um einige zu nennen. In ihrem Roman Die Königin ist tot taucht der Begriff des Anzugskriegers auf. Gibt es Ihrer Meinung nach auch die Anzugskriegerin, die die Methoden der Manager kopiert und sich als nicht feministisch bezeichnet?
Natürlich gibt es diese Anzugskriegerinnen. Was eine ablehnende Haltung zum Feminismus betrifft, die damit natürlich nicht zwangsläufig einhergeht: Ich finde es kindisch, wenn eine erfolgreiche Frau die Erfolge der Emanzipation negiert, die ihre eigene Karriere schließlich erst ermöglicht haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir auf den Schultern von Gigantinnen stehen. Wir feiern erst heuer das einhundertjährige Wahlrecht für Frauen. Wenn ich höre, dass man die Notwendigkeit einer geschlechtspolitischen Aufmerksamkeit negiert, dann muss ich manchmal an Nina Simone (Anm.: amerikanische Sängerin, engagierte sich in der Bürgerrechtsbewegung) denken und ihr „Go slow“, von dem sie in „Mississippi Goddam“ singt. Ich habe das stets so interpretiert, dass sie diesen Ratschlag wohl zu oft zu hören bekam. Mit „Go slow“ geht allerdings nicht allzu viel, auch heute nicht, und nicht nur in der Frage der Geschlechtergerechtigkeit wie etwa des Gender-pay-gap. Da braucht es mehr Einsatz und Konzept.
Die Sprache der Literatur und des Theaters verwendet bekanntlich auch Metaphern. Ich habe manchmal den Eindruck, als würde die junge Generation – vor allem durch Abkürzungen in Chats und Kurznachrichten – das Verständnis für Andeutungen oder Metaphern verlieren. Teilen Sie diese Befürchtung?
Nein, diese Befürchtung teile ich nicht. Die Referenzrahmen, das, worauf man anspielt, ändern sich, das tun sie aber immer. Jemand, der heute zwanzig ist, wird auf andere Dinge rekurrieren, neue sprachliche Ebenen schwingen mit. Ich sehe das auch bei meinen beiden Kindern, die 18 und 23 Jahre alt sind, nur verstehen wir als deren Eltern ihre Form der Andeutungen vielleicht oft nicht auf Anhieb: Dann lasse ich sie mir erklären. Ich glaube, Menschen werden immer gerne mit Bedeutungsebenen spielen.
Ich möchte zum Abschluss unseres Gesprächs noch auf das Motto dieser Spielzeit Welt aus den Fugen zu sprechen kommen. Wie kann man, auch als Privatperson, als engagierter Demokrat in diesen rauen Zeiten agieren?
Indem man aufmerksam ist und den Dialog sucht, und: Ja, das kann durchaus mühselig sein. Wir müssen uns bewusst sein oder es uns wieder bewusst machen, worin die Qualität der Demokratie besteht. Wir sollten immer genau hinsehen, wenn etwas droht, aus den Fugen zu geraten oder eher auf eine schiefe Ebene, und eh man sich’s versieht, ist der Neigungswinkel zu groß und das Abrutschen nicht mehr aufzuhalten. Denn, wie Barack Obama es jüngst formulierte: „Die größte Bedrohung für unsere Demokratie ist Gleichgültigkeit.“