Exemplarisch führt Maksoud auch jenen Typus vor: Svenja ist eine junge Frau, die Kunst studiert hat und als Clown im Hospiz arbeitet. Sie will mit ihrem Programm auf klassistische Diskriminierung aufmerksam machen. Sie meint es also gut. Aber sie hat damit auch Probleme. Ihr größtes Problem ist sicherlich „Der Don“ – ein Alter-Ego von Svenja, der die Armen verachtet und nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist. Ein weiteres Problem von Svenja: Ihr Programm ist nicht witzig, weil alle Pointen politisch korrekt sein müssen. Dies kritisiert der Don und lässt seinen Einfluss auf Svenja wachsen. Denn sie hat auch finanzielle Probleme. Und als sie bemerkt, dass mehr Publikum generiert werden kann, wenn sie spricht wie der Don, beginnt der Zweifel an ihr zu nagen. Und zu allem Überfluss geschieht dann noch etwas Unerwartetes; etwas, das Svenja in ihrer Existenz bedroht: „Die Möwe“, ein von Svenja geliebtes Kulturlokal, sucht einen neuen Pächter.
Um sich zu bewerben, nimmt Svenja ein Video auf, in welchem sie Aram vorstellt. Aram gehört zum Dienstleistungsproletariat des Ortes. Er liefert Essen aus und arbeitet parallel in vielen Mini-Jobs. Und deshalb will Svenja deutlich machen, wie wichtig Aram ist und jegliche Diskriminierung aufgrund seiner Klassenzugehörigkeit fehl am Platze, weil eben klassistisch sei. Doch just jener Aram wird nun zur direkten Konkurrenz. Denn Aram sucht für seine Familie ebenfalls eine Wohnung sowie eine feste Arbeitsmöglichkeit. Und da die Eigentümerin nur an das Proletariat, (Stichwort: Quote), verpachten will, bekommt Aram den Zuschlag und nicht Svenja. Das findet sie freilich unfair und ihre verdrängten, abwertenden Gefühle gegenüber Aram kommen immer mehr zum Vorschein. Der Don übernimmt also das Kommando und Maksoud gelingt damit zu zeigen, dass mit der Warnung vor Klassismus spätestens dann Schluss ist, wenn man selbst in den Konkurrenzkampf des kapitalistischen Arbeitsmarktes gezogen wird. Die Frage nach dem System – nach Fairness und Verteilung – rückt bei ihr also wieder in den Mittelpunkt. Denn umgekehrt suggeriert sie, dass der Ursprung für Hass und Verachtung vielleicht weniger in der Sprache und Kultur zu suchen ist als vielmehr in der harten Konkurrenz um das eigene Wohl. Svenja wirft nämlich ihre hehreren Prinzipien genau dann über Bord als sie ihre Pläne und Zukunft gefährdet sieht. Also doch zurück zur Klassenfrage? So einfach ist es auch wieder nicht, wie Maksoud – ebenfalls mit viel Charme – zu zeigen weiß. Denn wie sich herausstellt, ist Aram gar kein Proletarier mit Migrationshintergrund, sondern studierter Wirtschaftspsychologe. Er hat sich also nur als Proletarier inszeniert, um an die Wohnung und das Lokal zu kommen. Zukunftsängste sind also keine Frage der Klassenzugehörigkeit mehr, sie sind längst in der so-genannten „bürgerlichen Mitte“ angekommen.