Romeo und Julia

Caroline Finn im Interview mit Roma Janus zur Premiere von Romeo und Julia.

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Mit Romeo und Julia, der berühmtesten Liebesgeschichte aller Zeiten, die in den Jahren 1594 bis 1597 von William Shakespeare geschrieben worden ist, eröffnet TANZ LINZ die Saison. Die gebürtige Engländerin Caroline Finn übernimmt die Choreografie und debütiert damit in einem österreichischen Theater. Gemeinsam mit TANZ LINZ und dem Bruckner Orchester Linz, unter der Musikalischen Leitung von Marc Reibel, wird sie das berühmte Werk am 7. Oktober 2023 auf der großen Bühne des Musiktheaters zur Premiere bringen. In einem Gespräch mit Roma Janus, der Künstlerischen Leiterin der Sparte Tanz, gibt sie den ersten Einblick in ihre künstlerische Herangehensweise und ihre Inspirationen für die bevorstehende Inszenierung.

Romeo und Julia Proben
Romeo und Julia Probe | Foto: Philip Brunnader

Welche Aspekte sind dir in deiner künstlerischen Arbeit als Choreografin wichtig?

Caroline Finn: Für mich ist es immer unglaublich wichtig, dass der Prozess ein wirklich kollaborativer ist – dass alle Tänzer:innen und das Kreativteam ein tiefes Verständnis für das Universum haben, das wir erschaffen wollen, und für die Kernbotschaften, die wir vermitteln wollen. Für die Tänzer:innen ist das eine Einladung, sich wirklich zu engagieren und einen künstlerischen Beitrag zu leisten, der ihnen ein Gefühl der Verantwortung für das Werk selbst gibt. Wenn wir auf diese Weise arbeiten und einen Schmelztiegel der Möglichkeiten schaffen, können wir nicht nur gemeinsam wachsen und uns gegenseitig herausfordern, sondern auch das, was wir dem Publikum bieten können, bereichern und erweitern.

Wie würdest du deine Ästhetik definieren – deine choreografische Handschrift?

Ich lasse mich stark vom Kino und von Regisseuren wie David Lynch, Ingmar Bergmann, Lars von Trier und Tim Burton inspirieren, so dass ich sagen würde, dass es mir Spaß macht, Universen zu schaffen, die sowohl Elemente des Hypersurrealen als auch des Naturalistischen kombinieren. Das Absurde und Zweideutige inspiriert mich sicherlich, aber ich liebe  es auch, erzählerische Tableaus zu schaffen, in denen wir die Eigenheiten des menschlichen Verhaltens näher beleuchten können. Meine Arbeit ist sehr körperlich, aber je nach den Tänzer:innen, mit denen ich zusammenarbeite, und dem Kontext des Stücks kann die Bewegungssprache selbst ziemlich radikal variieren. Grundsätzlich würde ich sagen, dass ich immer versuche, von innen nach außen zu arbeiten, so dass die Bewegung aus einer emotionalen Motivation und Bildsprache heraus entsteht, anstatt mit der „Form“ zu beginnen.

Caroline Finn
Caroline Finn | Foto: Philip Brunnader

Wie gehst du an das berühmte Shakespeare-Werk „Romeo und Julia“ heran?

Es ist sicherlich eine Herausforderung, sich einer so ikonischen Geschichte anzunehmen, die schon so oft und über so viele Jahre hinweg in Tanz, Theater und Film adaptiert worden ist! Ich stehe vor so vielen Fragen – wie kann ich diese schöne und tragische Geschichte annehmen und respektieren, aber wie kann ich ihr auch eine heutige Relevanz verleihen? Die Kerngeschichte ist für mich wichtig, und ich bin mir sicher, dass sie es auch für das Publikum ist, aber meine Inspiration kommt hier von der Möglichkeit, diese Geschichte in einen völlig neuen Kontext, ein neues Setting zu stellen und zu sehen, wie wir uns dadurch auf einer intimeren und intuitiveren Ebene mit dieser Gesellschaft und dieser Tragödie auseinandersetzen können.

Ich möchte die Geschichte nicht völlig abstrahieren und um ihrer selbst willen unterwandern, da sie von sich aus so reichhaltig ist. Gleichzeitig möchte ich jedoch auch nicht in ein rein erzählerisches Werk verwickelt werden. Es ist mir wichtig, dass das Publikum auch bei einer bekannten Geschichte seine eigenen, individuellen Wege finden kann, das Werk zu sehen und sich mit ihm zu verbinden, und ich glaube, das gelingt, wenn man der Geschichte den Raum dafür bietet.

Was ist für dich das Besondere an dem Stück, das dich interessiert und das du als relevant für unsere heutige Zeit ansiehst?

Ich fühle mich sehr von dem Thema Tod angezogen, das in dem Stück ständig präsent ist. Von Beginn an spürt man eine Art tödliche Vorahnung. Das finde ich für die Welt, in der wir heute leben, äußerst relevant – sei es auf der Makroebene im Hinblick auf die Zerstörung unseres Planeten und die internationalen Kriege, die weiterhin wüten, oder auf der Mikroebene im Hinblick auf die brisanten kulturellen und häuslichen Konflikte. Familiendynamiken, die denen im Originalstück ähneln, können auch heute noch äußerst toxisch sein (selbst wenn die Handlungen wohlmeinend sind), und deren Auswirkungen sowie die des gesellschaftlichen und politischen Drucks wirken sich weiterhin negativ auf uns alle aus, insbesondere auf junge Menschen.

Ich denke, dass die meisten Menschen zustimmen würden, dass neben oder vielleicht sogar trotz dieser Dinge Liebe, Loyalität und die Erfahrung des fleischlichen Hungers nach einem anderen Wesen ein bedeutender Teil unseres Wesens bleibt. Dies werden immer Dinge sein, die uns dazu bewegen, radikale Entscheidungen zu treffen oder enorme Opfer zu bringen und Handlungen zu unternehmen, von denen wir nicht wussten, dass wir dazu fähig sind.

Romeo und Julia Proben
Romeo und Julia Probe | Foto: Philip Brunnader

Wird es eine klare Rollen-/Besetzungsreihenfolge geben?

Es wird einen Romeo und eine Julia sowie andere erkennbare Charaktere geben, aber in unserem Bestreben, die Geschichte in unsere heutige Zeit zu bringen, hatte ich das Gefühl, dass bestimmte Charaktere aus dem Original keinen Platz in unserem Kontext gefunden haben. Eine bestimmte Rolle kann fast als eine Kombination von zwei Figuren aus dem Original betrachtet werden, die miteinander verschmolzen werden, um eine ganz neue Identität zu schaffen.

Gibt es ein spezielles Konzept für Bühne und Kostüme?

Ja, das gibt es! Das Bühnenbild von Till Kuhnert verankert das Stück in einer nachvollziehbaren Umgebung, die aber gleichzeitig auch ein Element des Surrealen zulässt. Es schafft eine vertraute Landschaft, in der man aber auch die Last unserer Zeit spürt. Die Kostüme von Catherine Voeffray sind in einem naturalistischen, einfachen, wenig mondänen Stil gehalten, verleihen dem Stück aber auch einen leicht erhöhten Sinn für Theatralik. Ich habe das Gefühl, dass sich in ihren Entwürfen sowohl die Komplexität der jüngeren Figuren – ihre Individualität und ihre inneren Konflikte – als auch eine eher unterdrückte und konforme Gesellschaft der Älteren widerspiegelt. Es ist für uns alle wichtig, dass das Bühnenbild und die Kostüme nebeneinander bestehen können und die Choreografie unterstützen, so dass das gesamte Erscheinungsbild einheitlich ist – und kein Element von einem anderen überwältigt wird.

Wie gehst du an die Musik heran? Du arbeitest hier mit dem Bruckner Orchester unter der Musikalischen Leitung von Marc Reibel zusammen. Beziehst du dich auf die Originalpartitur von Sergej Prokofjew?

Ja, es ist ein echtes Vergnügen, mit der Originalpartitur von Prokofjew zu arbeiten, und bis jetzt war es eine wunderbare Zusammenarbeit mit Marc Reibel, um zu entscheiden, welche Teile dieser Partitur wir verwenden werden. Natürlich müssen wir einige Teile auslassen, um einen Abend von ca. 75 Minuten zu kreieren, und es war faszinierend, gemeinsam herauszufinden, wie man die Originalpartitur sowohl harmonisch, dynamisch als auch dramaturgisch am besten bearbeiten kann.

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