Es ist wahrscheinlich schwierig, dem etwas entgegenzuhalten?
Für mich ist Papst Franziskus dahingehend ein Vorbild. Er ist viele Schritte auf die muslimische Community zugegangen, unter anderem rief er bei seinem Besuch in Marokko dazu auf, sich nie gegenüber Menschen anderen Glaubens als überheblich zu zeigen.
Gibt es Ihrer Meinung nach Überschneidungen bzw. Parallelen zwischen Kanzel und Bühne?
Natürlich, jede Liturgie ist heiliges Schauspiel! Ich bin begeistert vom Theater, und von der Kunst allgemein. Jede Theologie, die nicht offen ist, ist eine einäugige Theologie. Ich habe vieles gesehen, das mich gepackt, ja verändert hat im Theater. Mir tut jeder Priester leid, der glaubt, mit frommen Büchern das Auskommen zu finden. Die vier Evangelien der Heiligen Schrift sind das eine, das Leben ist das andere. Dass ich mich auf Augenhöhe mit den namhaftesten Künstler*innen sehen kann, beschenkt mich ungeheuer.
Einige Kirchenvertreter und auch die Bevölkerung reagieren auf provokante religiöse Themen auf der Bühne manchmal mit Empörung. Einer der größten Theaterskandale war wohl Rolf Hochhuths Drama Der Stellvertreter, das die Haltung des Vatikans zum Holocaust thematisierte. Die Österreichische Erstaufführung am Wiener Volkstheater führte sogar zu einem Handgemenge im Publikum. Abgesehen von diesem Extrembeispiel, wie stehen Sie als Kirchenvertreter zu einem Theaterstück, dessen Inhalt oder Statement sich nicht mit der offiziellen Kirche deckt?
Ich erinnere mich auch an Peter Turrinis Stück Tod und Teufel. Wenn ein homosexueller Geschlechtsakt mit eucharistischen Handlungen verglichen wird, fühlt sich natürlich mancher Geistliche gekränkt, aber was will dieses Stück sagen? Die Sünde muss wieder benannt, die Vergebung erfleht werden. So habe ich das damals als Ausbildner mit meinen Priesterseminaristen diskutiert. Glauben Sie mir, so viele sind noch nie im Burgtheater (Anm.: Uraufführung 1990) gewesen; nur dort, wo provoziert wird, kann man Aufmerksamkeit erreichen. Ich glaube, wir als Geistliche sollten nicht zu wehleidig sein.
Ich habe auch in einer Fernsehdiskussion mit dem Karikaturisten Gerhard Haderer über den haschenden Jesus diskutiert und ihm gesagt, dass ich über diese Darstellung nicht erfreut bin. Haderer meinte damals unter anderem, er hätte gerne meinen Glauben.