„Ich spüre da total die Wurzeln“

Zur Premiere von Tom auf dem Lande in den Kammerspielen.

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Ein Gespräch mit Ensemblemitglied Daniel Klausner über Herkunft, Outing und seine Rolle in Tom auf dem Lande.

Ab 24. Februar 2024 zeigt das Landestheater Linz in den Kammerspielen Tom auf dem Lande, ein Psychodrama des kanadischen Autors Michel Marc Bouchard. Du hast daran einen nicht unwesentlichen Anteil. Erzähl uns mal, wie es zu diesem Stoff auf dem Spielplan kam.

Ich hab bei einer Premierenfeier mit unserem Leitenden Schauspieldramaturgen Andreas Erdmann gesprochen, dass ich hier mal ein queeres Stück machen will. Und der hat sofort zugestimmt. Bald kam dann das Angebot, dass Sara Ostertag mit mir so ein Stück machen will und wir haben angefangen zu suchen.

Wie seid ihr dann konkret auf Tom auf dem Lande gekommen?

Wir sind beide riesige Fans von der Film-Adaption Sag nicht, wer du bist! von Xavier Dolan. Der ist in der schwulen Szene echt ein guter Regisseur, hat tolle Filme gemacht, in denen es um Homosexualität geht. An Tom auf dem Lande gefiel uns beiden unglaublich gut, dass es so viel mit dem Spielzeit-Motto Herkunft zu tun hat. Das passte irgendwie wie die Faust aufs Auge.

Und diese Herkunft ist nicht Toms eigene, sondern die seines Lebensgefährten Guillaume.

Genau. Tom fährt aufs Land, muss dort seinen verstorbenen Lebensgefährten beerdigen und trifft da auf dessen Familie, die er noch nie gesehen hat, und auf all diese Probleme, die mit Herkunft zu tun haben. Was wiederum witzig ist, weil es eigentlich meine Biografie ist.

Ich behaupte jetzt mal, du hast im Prinzip die Gegenbewegung zu Tom gemacht: in Tirol aufgewachsen und dann zum Studium nach Berlin.

Ja, ich kenn das, auf dem Land zu wohnen. Ich komm aus Matrei am Brenner, wir haben tausend Einwohner. Ich habe mich auf dem Land geoutet und bin dann in die Großstadt gezogen, aber ich kenn halt diese Themen. Wie sich Tom dann fühlt – was Tom vor seiner Reise noch nicht ahnt, aber ich als Spieler weiß, auf welche Konfrontationen man auf dem Land trifft, wenn man weiß, dass man schwul ist. Wem sagt man’s, wie sagt man’s?

Sagt man’s überhaupt? Welche Probleme hat man, welche Ängste hat man? Deswegen fanden wir dieses Stück gut.

Hast du diese Fragen auch lange mit dir rumgetragen?

Ja ja, klar. Der Kampf bis zum Outing, das war schon sehr schlimm. Sich das erste Mal selber einzugestehen, dass es so ist, das war für mich das Hauptproblem, weil ich eher konservative Einstellungen hatte. Und wenn du dann merkst, dass du auf Männer stehst (lacht) … Dann denkst du dir: Nee, nee, nee! Ich hatte ja auch meine Pläne. Ich wollte immer Frau, Haus, Hund, Kinder haben. Und dann merkst du: So wie du empfindest, kann das nix werden. Bis ich das verstanden hatte, hat es schon so fünf, sechs Jahre gedauert.

Hat dein Umfeld es dir denn auch schwer gemacht?

Nein, das war alles bilderbuchmäßig. Ich hatte wenig Schwierigkeiten, weil die Leute mich so mochten, wie ich bin und ihnen war’s dann irgendwie egal. Da ist die Provinz dann doch auch weiter als man es ihr von außen oft zuschreibt. Ich hab genug Freunde in dem Dorf, die mit einem Mann zusammenleben und das ist überhaupt kein Problem.

Daniel Klausner
Daniel Klausner | Foto: Philip Brunnader

Das heißt, du hast – anders als Tom – auch keinerlei Gewalterfahrungen gemacht? Gewalt kann ja auch verbal ausgeübt werden.

Ich hab ja Fußball gespielt und war offiziell geoutet. Und natürlich ging das in Tirol dann auch rum, dass der Klausner, der Stürmer von der zweiten B-Mannschaft vom SV Matrei, schwul ist. Natürlich kam dann da mal: „Schau, die schwule Sau.“ Aber dann hab ich fünf Tore geschossen, bin rausgerannt und hab geschrien: „Schaut, die schwule Sau hat fünf Tore geschossen.“ Und damit war das Thema erledigt. Aber trotzdem kann ich nachempfinden, wie es in dem Stück ist. Also, wenn man da hinkommt, aufs Land, auf diese Familie trifft, die nichts davon weiß, dass der Sohn schwul war und ich sein Lebensgefährte bin, die auch noch gar nicht so weit ist. Man hat ja auch Respekt vor dem Leben, wie sie es leben und will da nicht so reinpreschen. Toms Hauptziel ist ja auch erst mal, sich zu verabschieden vom Freund und die Familie kennenzulernen. Und dann wird er eh gleich genötigt vom Francis.

Dieser Bruder verlangt von Tom, ein Lügengebilde aufrecht zu erhalten und wird von ihm in eine Gewaltspirale hineingerissen. Als Zuschauer:in fragt man sich da: Warum haut er nicht so schnell wie möglich wieder ab?

Seine Liebe ist halt weg und da auf dem Land ist der Mensch noch da, bei der Familie, auch wenn der Mensch schon verstorben ist. Man sieht die Mutter, man sieht die Ähnlichkeiten, den Bruder, sein Zimmer, da liegen noch Sachen von ihm. Das ist ja sicher auch ein gewisser Trost, in deren Gegenwart zu sein, wo der geliebte Mensch noch anwesend ist. Und es beantwortet ihm vielleicht auch Fragen, die er sich in ihrer Beziehung gestellt hat. Woher kam die Angst, die er hatte? Man merkt ja auch, wie der Bruder ist, diese Unterdrückung. Und dieser Lügenstrudel, wenn du da mal drin bist, dann kommt das nächste, das nächste. Da ist es dann schwer herauszukommen.

Sind dir so brutale Typen wie Francis mal begegnet?

Ja ja, die kenn ich schon. Vor denen hatte man auch immer Angst. Das waren auch so Typen, die selber immer unterdrückt worden sind von Zuhause, von den Eltern, den Vätern vor allem, das waren so Burschen vom Hof. Aber es sind ja doch nur die eigenen Ängste, die sie mit ihrem Verhalten kompensieren. Ich glaube aber, so von wegen Enge der Provinz, dass dir sowas in der Stadt genauso passieren kann. Wenn Leute einfach unzufrieden sind im Leben, kann es schon passieren, dass sie grob werden – egal, wo sie leben. Die eigene Unzufriedenheit, der eigene Frust lassen einen lieber gegen die anderen schießen, als sich mit dem Eigenen zu befassen.

Man muss sich ja auch fragen, wie viel Verdrängtes da im Bruder verborgen ist: verleugnete Emotionen, die eigene Sexualität zum Beispiel. So dass er lieber drauf einprügelt, als sich damit auseinanderzusetzen.

Ich weiß auch noch nicht so genau, warum Tom ihn dann so anziehend findet. Darum wird es gehen, das in den Proben herauszufinden. Warum es da so knistert zwischen denen, obwohl der eine den anderen so unterdrückt. Was ist da Anziehendes dran?

Apropos Proben: Tom auf dem Lande ist deine dritte Produktion mit der Regisseurin Sara Ostertag. Was ist für dich das Besondere an ihren Arbeiten?

Sara hat in ihren Inszenierungen immer irgendwie Heimat transportiert, so Österreich. Bei Totenwacht oder Geierwally zum Beispiel, diese Familienthemen in der Provinz – das kann die Sara einfach super.

Was ist denn Heimat oder Herkunft bei Sara?

Sie trifft immer was Wurzeliges. Ich spüre da total die Wurzeln, das triggert mich richtig. Wie sie es mit Musik verbindet, das hat was Mythisches. Ich fühl mich da immer so, als wär ich daheim bei ihren Stücken. Ich spür das immer ganz anders bei ihr.

Weil’s sinnlicher ist. Und bildgewaltig. Ja. Und weil Sara ja auch selbst einen österreichischen Bezug hat. Sie versteht, wie man empfindet in der Herkunft. Sie ist fest verwurzelt in Österreich. Und das löst sie bei mir auch immer aus. Sie versteht, wie Menschen aus der Provinz denken oder empfinden, dass es irgendwie enger ist. Dass man Angst hat vor Weitblick, vor Größe, vor Veränderungen, dass sich jemand mal outet.

Sara ist ja der Coup gelungen, den Musiker Ariel Oehl als Live-Act für die Inszenierung zu gewinnen. Deine Meinung dazu?

Das war für mich wirklich ein Highlight! Erstens macht er gute Musik. Zweitens macht er aber auch sehr sinnliche Musik. Also eigentlich alles, was wir damit transportieren wollen. Ich wusste sofort, dass das ein Match ist. Seine Lieder, Wolken zum Beispiel, die haben sowas leicht Melancholisches, Bildriges. Ich hab schon ein paar seiner Vorschläge fürs Stück gehört – mega! Was mich aber auch daran freut ist, weil Linz auch eine super Musikstadt und die Musikszene groß ist, dass wir damit wirklich Theater für alle machen können. Dass man junge Leute reinzieht, aber auch unseren Abonnent:innen das Thema zeigen kann, was mir wichtig war: Homosexualität. Das wird mit Ariel hoffentlich eine größere Breite kriegen.

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