Historischer Kontext zu Die weiße Rose

Zur Premiere von Die weiße Rose in den Kammerspielen haben wir hier ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen zum Thema Nationalsozialismus für euch.

PremierenfieberDieWeisseRose

Petra Wüllenweber hat auf Grundlage von Briefen, Tagebuchaufzeichnungen, Verhörprotokollen und Dokumenten der Zeit mit Die weiße Rose ein ebenso packendes wie zum Nachdenken anregendes Stück geschrieben. Wir möchten mit der Inszenierung euch als unser Publikum an die zeitlichen Hintergründe heranführen, gegen Faschismus sensibilisieren und ein Beispiel von Zivilcourage und Menschlichkeit anbieten. Damit ihr euch im Dschungel der historischen Begriffe besser zurechtfindet, hier ein Glossar der NS-Zeit.

(Für alle, die nicht über den QR-Code im Programmheft hergefunden haben, ist die Lektüre natürlich nicht weniger empfehlenswert!)

Alliierte – („Verbündete“) im Kontext des 2. Weltkriegs alle Staaten, die zusammen gegen den NS-Staat gekämpft haben, vor allem das Vereinte Königreich, die Vereinigten Staaten, Russland, China, und, nach seiner Befreiung, Frankreich.

Arisch – Laut rassistischen Theorien des 19. Jahrhunderts, die der Nationalsozialismus übernommen und radikalisiert hat, sind die „Arier“ Menschen weißer, westeuropäischer Herkunft, denen die pseudowissenschaftliche Theorie eine Überlegenheit über andere „Rassen“ zuschreibt. Eigentlich sind Arier aber eine, bzw. mehrere, historische Volksgruppen vor allem im Gebiet des heutigen Iran und Indiens. Selbst die Nationalsozialisten nutzen ab 1935 den Begriff offiziell nicht mehr und verwendeten stattdessen den Begriff „Deutsch“ oder „Deutschen Bluts“.

Bolschewismus – Form des Kommunismus, der sich bei der Revolution in Russland durchgesetzt hat und die Sowjetunion begründete. Die Bolschewisten strebten eine „Diktatur der Arbeiter“ an und setzten sich schlussendlich gegen andere Kommunisten durch, die eine demokratischere Staatsform wollten.

Fackelmarsch – Demonstrationszug mit Fackeln und Fahnen im Marschschritt und mit dem Singen von nationalsozialistischen Liedern. Fackelzüge sollten die Präsenz und Übermacht der Nationalsozialisten auf der Straße demonstrieren.

Fahnenappell – Präsentieren der NS- und HJ-Flaggen mit Fanfaren, Singen der NS-Hymnen und langem Hitlergruß. Das Ritual wurde in vielen Einrichtungen und auch in der Schule Pflicht. Oft folgte eine Ansprache des jeweiligen Leiters über Lehrsätze des Nationalsozialismus.

Gau / Gauleiter – Der NS-Staat war verwaltungstechnisch in „Gaue“ gegliedert. Jeder Gau hatte einen Gauleiter, der von der Regierung eingesetzt wurde und erhebliche Macht über sein Gebiet hatte.

Gestapo – Geheime Staatspolizei, die sich mit uneingeschränkten Machtbefugnissen vor allem der Verfolgung von Juden, Sinti und Roma, Persons of Colour und queeren Menschen, ebenso allen Widerstandsbewegungen, widmete. Gefangene wurden oft gefoltert, viele auch schon vor dem Beginn des gezielten Völkermords in Vernichtungslagern getötet.

Hitlerjugend (HJ) / Bund deutscher Mädels (BDM) – nationalsozialistische Jugendorganisationen für Burschen, bzw. Mädchen. Diese bestanden schon vor der Machtübernahme (auch in Österreich). Seit 1936 wurden sie verpflichtend für alle „arischen“ Jugendlichen. So konnte die ganze Jugend des Landes politisch indoktriniert und körperlich gedrillt werden.

Hitlergruß – Der schräg nach oben ausgestreckte rechte Arm mit dem Ruf „Heil Hitler“ oder „Sieg Heil“ war die übliche Grußform während der Herrschaft des Nationalsozialismus. Heute verboten.

Horst-Wessel-Lied – Kampflied der SA und Hymne der NSDAP, das zwischen 1933 und 1945 quasi als zweite Nationalhymne diente. Heute verboten.

Juden – Der Nationalsozialismus hat in der Gesellschaft verbreitete antisemitische Stereotype und Ressentiments aufgegriffen und Juden zum Feindbild ihrer „Rassenideologie“ stilisiert. Ab der Machtergreifung wurden nach und nach den Bürger:innen jüdischer Abstammung immer mehr Rechte und Freiheiten entzogen (z.B. den Beruf auszuüben, „Deutsche“ zu heiraten), gewalttägige Übergriffe auf Juden nahmen zu. Mit Beginn des 2. Weltkriegs wurden Juden in besetzten Gebieten in Ghettos zwangsübersiedelt. Dort wurden sie oft als Zwangsarbeiter:innen rekrutiert. Die Lebensbedingungen waren katastrophal und viele starben. 1941 beschlossen die Nationalsozialisten die Ermordung aller Juden durch Konzentrations- und Vernichtungslager. Durch den heute als der Holocaust oder mit dem hebräischen Wort Schoah bezeichneten Völkermord, töteten die Nationalsozialisten etwa zwei Drittel aller europäischen Juden.

Kommilitonen (und Kommilitoninnen) – Studierende bezeichnen sich bis heute gegenseitig als Kommiliton:innen, man kann auch Studienkolleg:innen oder Mitstudierende sagen.

„lebensunwertes Leben“ – Das Leben von Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen oder mit psychischen Krankheiten wurden von den Nationalsozialisten als „lebensunwertes Leben“ und durch vermeintliche „Erbkrankheiten“ als Gefahr für ihre „Rassenhygiene“ angesehen. Schon ab 1933 konnte an dieser Personengruppe Zwangssterilisationen vorgenommen werden (insgesamt wurden im NS-Staat bis 400.000 Frauen und Männer zwangssterilisiert). Zwischen 1939 und 1941 wurden über 80.000 Männer und Frauen, die für den Nationalsozialismus in dieses Raster fielen, in Tötungsanstalten ermordet. Etwa 5000 Kinder wurden ebenfalls getötet, oft nachdem medizinische Experimente an ihnen durchgeführt wurden. Unter den Nationalsozialisten wurde dies beschönigend als „Euthanasie“ (angenehmer Tod) bezeichnet, war aber streng geheim. Familien der Opfer waren entsetzt über den plötzlichen Tod ihrer Angehörigen nach kurzer Krankheit (so wurde die Todesnachricht oft erklärt), Kirchenvertreter protestierten öffentlich. Hitler gab 1941 den Befehl, das „Euthanasie“-Programm zu stoppen.

Matrizen – Mit einer Schreibmaschine konnte ein speziell beschichtetes Doppelblatt (die Matrize) beschrieben werden. Diese wurde daraufhin in einen Vervielfältigungsapparat eingespannt und gab, mit Spiritus aktiviert, die durchgedruckten Buchstaben auf saugfähigem Papier wieder. So konnte man mit einer Matrize bis zu mehreren hundert Seiten Papier bedrucken.

Propaganda – Politische Werbung, bzw. politisch motivierte Beeinflussung der öffentlichen Meinung einer Gesellschaft. Das Gegenteil zu kritischem Denken und dem Willen und Vermögen, verschiedene Perspektiven einzunehmen.

„Rassenhygiene“ – Laut der Ideologie der Nationalsozialisten waren die „Arier“, bzw. „die Deutschen“ anderen Völkern überlegen und mussten sich vor fremden Einflüssen und genetischer Vermischung schützen. Diese rassistische Ideologie war die Begründung für Mord und Unterdrückung vermeintlich anderer „Rassen“ und sogenanntem „lebensunwerten Leben“. Ein besonders starkes Feindbild war für die Nationalsozialisten Menschen jüdischer Abstammung.

Rote Kapelle – Die Nationalsozialisten verfolgten unter dem Sammelbegriff „rote Kapelle“ verschiedene Widerstandsgruppen, die verfolgte Menschen unterstützten, Informationen ans Ausland weiterleiteten, zu Gehorsamsverweigerung und Widerstand aufriefen und sich vernetzten und Pläne für die Zukunft schmiedeten. Teilweise hatten sie Kontakt zur Sowjetunion, daher stand das „rot“ für „kommunistisch“ – doch längst nicht alle Menschen, die den Gruppierungen zugehörig waren, definierten sich als links.

SA – „Sturmabteilung“, auch aufgrund ihrer Uniform „Braunhemden“ genannt. Vor der Machtergreifung störten sie als Schlägertruppen Veranstaltungen anderer Parteien oder „unerwünschter“ Künstler:innen und lieferten sich Straßenschlachten. Nach der Machtergreifung plünderten und zerstörten sie zunächst viele Einrichtungen, die nicht der NS-Ideologie entsprachen, verloren aber nach den ersten Jahren im NS-Staat zunehmend an Bedeutung.

Siegrune – Die Siegrune, die wie ein blitzartiges S aussieht, war neben dem Hakenkreuz das meistbenutzte Symbol des NS-Staats. Als einzelnes war es auf Fahnen des Jungvolks zu sehen, das ein Teil der Hitlerjugend bildete. Doppelt war es das Symbol der SS. Heute verboten.

SS – „Schutzstaffel“. Die SS betrieb die Konzentrations- und Vernichtungslager und schuf als „Waffen-SS“ eine eigene militärische Gruppe neben der Wehrmacht. Die Organisation gilt als das wichtigste Terror- und Unterdrückungsorgan im NS-Staat.

Wehrmacht – Bezeichnung für das deutsche Militär seit 1935.

Zwangsarbeiter:innen – Menschen in Konzentrationslagern leisteten Zwangsarbeit. Es wurden aber auch Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit in Fabriken und auf Bauernhöfen herangezogen oder Menschen aus besetzten (oft östlichen) Gebieten angeworben oder verschleppt. Sie hatten keine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis von sich aus zu beenden, und wurden oft unmenschlich behandelt und ausgebeutet.

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