Damals versuchten jene, die es sich leisten konnten, sich ihr Leben so gut es geht am Land einzurichten, das ist in unserer digitalisierten Welt nicht mehr nötig. Auf den ersten Blick scheint auch die Verschiebung hin zu Homeoffice für viele eine Erleichterung zu sein. Es stellt sich die Frage: Erleichterung und auch Freiheit für wen?
Die Problematik der Arbeitswelt wird auf die Gesellschaft zurückprojiziert. Der Immobilienmarkt könnte sich verändern, wenn Familien noch ein zusätzliches Zimmer, ein Büro brauchen, wer aber zahlt diese größere Wohnung? So mancher Firmenchef, so manche Firmenchefin könnte feststellen, ich brauche gar nicht mehr so viele Büros, ich kann weniger investieren. Ein zweiter Aspekt sind die Videokonferenzen, sie gab es ja schon, aber sie hatten nicht die Relevanz wie in den vergangenen Monaten. Um ein Beispiel zu nennen, wir als Intendantengruppe der Theater haben während der Corona-Krise auch auf diese Weise kommuniziert, früher haben wir uns getroffen, das war natürlich viel persönlicher, wir sind danach etwa essen gegangen. Jetzt musste man immer maskenhaft gestylt bleiben, ist ständig unter Kontrolle.
Bei den ersten Veranstaltungen nach der Aufhebung einiger Einschränkungen war die einhellige Reaktion des Publikums, dass das Erleben vor Ort kein Online-Konzert je ersetzen kann. Wird das Theater, so wie wir es kennen, Ihrer Einschätzung nach weiter bestehen bleiben?
Ich komme mir ein bisschen altklug vor, einige junge Schauspieler*innen und Dramaturg*innen meinten, wir müssen streamen, wir müssen dieses und jenes. Das haben wir auch gemacht, denn ich wollte diesem Mitteilungsbedürfnis unserer Mitarbeiter*innen Rechnung tragen. Ich habe allerdings aus einem Kulturpessimismus heraus eine herzliche Abneigung gegen solche Umsetzungen. Die Lektüre eines Kochbuchs macht mich ja noch nicht satt. Die Handwerkskunst von uns wird dabei reduziert auf flimmernde Bildchen. Das ist eine Tendenz auf künstlerischer und politischer Seite unter der Devise, eigentlich bräuchten wir keine Theatergebäude, das wäre doch sogar für die Wirtschaft förderlicher. Diese Schilderungen sind natürlich eine ironische Dystopie. Das Schöne am Theater ist, dass Social Distancing eben nicht stattfindet, wenn ich gemeinsam etwas erfahre, mit meinem Sitznachbarn in der Pause über das Stück diskutiere. Wir sind kein Download, sondern man muss zu uns kommen.