Können die Schulkinder eigentlich trotzdem weiterhin lernen?
Ja, es gibt Schulen im Krankenhaus, wo die Jugendlichen oder Schulkinder altersentsprechend betreut werden. Wenn sie in Therapiepause und zu Hause sind, haben sie Hauslehrer:innen. Sie machen genauso ihre Tests und ihre Schularbeiten am Bett. Jugendliche haben jetzt die Möglichkeit, sich einen Avatar zu wünschen und am Unterricht teilzunehmen. Wir haben ein Mädchen, die genießt das total. Und ihre Klassenkamerad:innen tun das auch. Sie hat den Anschluss nie verloren. Und die ist jetzt ein Jahr in Therapie.
Wie sind die Behandlungsphasen strukturiert?
Wir haben drei Säulen. Die erste Säule ist die stationäre Säule, dann gibt es die Tagesklinik und den externen onkologischen Pflegedienst, der von der Kinderkrebshilfe finanziert wird, wo die Kinder extern visitiert werden. Je nach Therapie sind die Kinder durchschnittlich so 15 Tage am Stück da. Dann gehen sie wieder nach Hause, kommen zur Kontrolle herein oder der externe onkologische Pflegedienst fährt hinaus. Das sind Kolleg:innen aus unserem Team, die zu Hause Verbandswechsel, Blutabnahmen, kleine Chemotherapien machen. Für Kontrollen fahren sie teilweise auch in die Schule. Das Kind muss nicht einmal das Schulgebäude verlassen. Das ist ganz toll.
Und woher kam die Grundidee?
Ich kannte das vom St. Anna. Und es war mir ein totales Anliegen, dieses Projekt hier voranzutreiben. 2016 ist es mir dann gelungen. Ich habe große Unterstützung gehabt, damals vom ärztlichen Leiter der Onkologie, vom Primar und auch von den Stationsärzten. Die Kinderkrebshilfe war immer bereit, das zu machen. Die halten das für eine ganz tolle Geschichte – ist es auch. In Zukunft wird es viel wichtiger werden, dass man Kinder oder auch kranke Menschen draußen betreuen kann.
In ihrem vertrauten Umfeld.
Ja. Es ist auch so, dass es im Hintergrund nicht nur das kranke Kind gibt. Da gibt es oft auch ein Familiensystem mit weiteren kleinen Kindern, die irgendwie betreut werden müssen. Wenn die Eltern oder die Mutter – meistens die Mutter – mit dem kranken Kind da reinfährt, dann müssen die anderen irgendwo fremdbetreut werden oder zu einer Tante, Oma, Opa. Und das fällt alles weg.
Was ist Ihr Hauptanliegen bei der Betreuung der Patient:innen?
Es ist wichtig, dass man ehrlich ist. Du lügst die Kinder einmal an, du hast das Vertrauen verloren. Das fängt an damit, dass wir sagen: „Der Pieks tut jetzt weh, aber es ist dann vorbei.“ Oder manche Kinder fragen: „Was ist mit mir?“ Dann erklärt man ihnen, dass böse Zellen in ihrem Körper sind, altersentsprechend. Es gibt viele Eltern, die ihre Kinder schützen wollen, indem sie ihnen nicht sagen, was los ist. Das ist das Falscheste, was man machen kann.
Kinder können ja auch je nach Alter auf ihre ganz eigene Weise damit umgehen.
Ja, die entwickeln Resilienzen, dass sie das, was momentan da ist, annehmen können. Wichtig sind auch Perspektiven. Wenn zum Beispiel ein Kind oder ein Jugendlicher mit einer Diagnose kommt, wo man weiß, das wird sich nicht ausgehen, sagt man trotzdem, was man noch hat. Man würde dem Kind nicht von Anfang an die Hoffnung nehmen, aber auch sagen, dass es sehr wenig Therapien gibt dafür, die man aber gut ausprobieren kann.
Haben Sie da so etwas wie eine Supervision für sich und Ihr Team?
Ja, wir haben aber auch Rituale, gerade wenn ein Kind oder ein Jugendlicher verstirbt. Wir setzen uns zusammen und halten inne. Wir reden über den Patienten, lassen nochmal alles Revue passieren. Wir hängen eine Laterne auf. Wir hängen einen Spruch auf. Wir stellen eine Figur auf. Und wir reden viel. Da hole ich mir die Reinigungskraft genauso. Oder die Abteilungshelfer:innen. Das ist mir ganz wichtig, weil die lange untergegangen sind