Die Theaterwelt hält den Atem an, wenn Kresnik loslegt

Macbethtanzlin.z

Der Star-Choreograf und Regisseur Johann Kresnik rekonstruiert seinen Klassiker „Macbeth“ im Musiktheater

Kresnik gilt als Berserker des Theaters, als „Enfant terrible“ der Tanzwelt und Störenfried einer bürgerlichen Gesellschaft, die sich von seinen zugespitzten Fragen, herausfordernden Bildern und kräftigen Haltungen belästigt fühlt. Nicht selten hat er dies mit heftigen Reaktionen bezahlt. Von Morddrohungen bis zur Verhaftung hat der Kärntner Künstler viel über sich ergehen lassen müssen. Mitleid hat er nicht gewollt und auch nicht bekommen.

Begegnet man heute jenem großen alten Meister des choreografischen Theaters, fällt einem die Lebendigkeit und Freundlichkeit seines Blickes auf. Kresnik hat sich seine kraftvolle Tänzerstatur bewahrt. Vital und direkt mustern seine Augen das Gesicht des Gegenübers und er geht gleich in medias res: Das Theater der Gegenwart, die aktuelle politische Situation, die Themen, die verhandelt werden sollten und die Frauen sind Gegenstand seines Interesses. Kopfschüttelnd nimmt Johann Kresnik zur Kenntnis, wenn heute Inszenierungen von ihm als „legendär“ bezeichnet werden, die zu ihrer Zeit einen Aufschrei von Presse und Publikum auslösten. Die Theaterwelt hielt den Atem an, wenn Kresnik loslegte.

Foto: Sakher Almonem

Zu Gast am Landestheater, um seinen tatsächlich legendären „Macbeth“ zu rekonstruieren, erregt er schon hinter den Kulissen schnell die Neugierde der Kollegen. Wenn er auf der Terrasse des Musiktheaters sitzt, bleibt er nie allein. Gerüchte, Ängste, Neugierde gingen diesen Begegnungen voraus, und nicht alle waren darauf gefasst, einen so leidenschaftlich verspielten und politisch denkenden Partner in der Arbeit zu erleben. Die Tänzerinnen und Tänzer der Kompanie TANZLIN.Z, vorbereitet von der ehemaligen Kresnik-Tänzerin Christina Comtesse, werfen ihre Vorsicht schnell über Bord und öffnen sich dem Choreografen, der mit ihnen die Dimension ihres Ausdrucks, ihres Spiels von Probe zu Probe erweitert. Jeder kann spüren, dass es Kresnik um alles geht, nicht um die Imitation seiner früheren Tänzer, nicht um die Entstaubung eines Museumsstückes, sondern um die Folgen der Machtgier eines Politikers, der eine ganze Gesellschaft in den Abgrund zieht.

Gemeinsam mit dem Maler Gottfried Helnwein und dem Komponisten Kurt Schwertsik war Kresnik in den 80er Jahren mit „Macbeth“ in Heidelberg ein Geniestreich gelungen, der jedem Vorurteil gegen seine Arbeit spottet und bei Festivals auf der ganzen Welt herumgereicht wurde: In Shakespeares bluttriefendem Drama verzichtet Kresnik weitgehend auf eine realistische Gewaltdarstellung. Da, wo ein Mord am Nächsten geschieht, ist bei Kresnik und Helnwein nur eine Blutwanne zu sehen, die sich im Laufe des Abends immer mehr füllt. Er konzentriert sich ganz auf den Menschen, seine Gier, seine Lust, seine Angst, sein Changieren zwischen Vertrauen und Gewalt, seinen Sadismus und seinen Schmerz. Die Bilder, die er mit Helnwein dafür findet, verdichten in großartigen ästhetischen Motiven die zentralen Wendepunkte der Handlung. Wenn die Lady, die ihren Mann zum ersten Mord noch angestachelt hat, das Blut an Händen und Füßen nicht mehr los wird, wenn die Krokodile, denen sie zum Opfer fällt, aus ihr selbst herauswachsen, oder die kindliche Jagd nach der Königskrone den Verrat des Abendmahls zitiert, ist es gerade jene Klarheit und Schönheit der Bilder, die den Gehalt des Werkes raffiniert vermittelt. Noch immer steigt Kresnik mit kindlichem Ernst in die Probenarbeit ein, lässt sich vom Moment, von der Gegenwart und der Persönlichkeit seines Gegenübers inspirieren, ändert, ergänzt, lacht. Für seine Mitarbeiterin Christina Comtesse und viele andere von Kresniks Weggefährten, die die Rekonstruktionsarbeiten befördert haben, war die Zeit mit ihm prägend. Auch heute noch spürt man, dass Kresnik einer ist, der an den Menschen glaubt, der verheerende Entwicklungen aufzeigt, weil es gilt, sie zu verhindern, und er dem Menschen zutraut, genau das zu können.

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