Die Frau mit den vielen Begabungen

Zur letzten Schauspiel-Premiere der Spielzeit Der diskrete Charme der Bourgeoisie in den Kammerspielen.

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Mit Anna Marboe ist es so: Wenn sie einen Raum betritt, füllt er sich mit positiver Energie. Und sie muss viel davon haben. Denn wenn man mit der 27-Jährigen telefoniert, ist sie meist unterwegs und steckt in irgendeinem Zug auf dem Weg zur nächsten Probe oder zum nächsten Konzert. Und auch ansonsten kann es einem leicht einmal passieren, dass sie verblüffend selbstverständlich an den unterschiedlichsten Orten (gleichzeitig?) auftauchen kann.

Lacht einem ihr fröhliches Gesicht an einem Tag vom Cover einer Zeitung entgegen (mit Hinweis auf ihr drittes Album Danke, gut), sieht man wenige Tage später eine ihrer spielfreudigen Inszenierungen an einem deutschsprachigen Theater, nur um sie selbst dann völlig unerwartet bei einem Spaziergang im abgelegenen Idyll des Gleinkersees mit ihrem Trio auf der Seebühne zu erwischen.

Woraus sie die Kraft dafür schöpft? Das ist für Anna Marboe ganz einfach: „In den Bereichen Musik und Theater hat man viel Kontakt mit Menschen und erfährt ständig Resonanz. Das ist zwar kein Patentrezept gegen Sinnkrisen, diese Begegnungen geben mir aber weit mehr Energie, als sie mich kosten.“

Anna Marboe hat also nicht nur viele bereichernde Begegnungen, vor allem hat sie viele Begabungen. Nach der Matura studierte die gebürtige Wienerin zunächst Angewandte Theaterwissenschaften und Philosophie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen, bevor sie 2019 ihr Regiestudium am renommierten Max Reinhardt Seminar absolvierte. Seither führte sie an diversen Häusern in Österreich und Deutschland Regie, zuletzt bei der heftig akklamierten Österreichischen Erstaufführung von Keeping Up With The Penthesileas am Kosmos Theater Wien. Ihre turbulenten Inszenierungen sprühen vor Ideen und immer ist ein großes Augenzwinkern spürbar – selbst ein Abend über neoliberale Verwertungslogiken und Medienkritik wird bei ihr also niemals fad.

Anna Marboe
Anna Marboe | Foto: Ingo Pertramer

Nicht umsonst nennt Der Standard sie „eine der interessantesten jungen Künstlerinnen des Landes“. Und das hat natürlich auch mit ihrem Dasein als Musikerin Anna Mabo zu tun. Begonnen hat es mit selbst verfassten Gedichten, 2019 erschien dann ihr Debütalbum Die Oma hat die Susi so geliebt. Im Zweijahresrhythmus folgten danach ihre Alben Notre Dame und Danke, gut. Der Falter beschreibt ihre Musik so: „Kleine Lieder, die große Geschichten erzählen: Anna Mabo ist eine junge Meisterin darin. Lebenslustig, schlau und neugierig, schwermütig, witzig, originell und voll poetischer Zartheit. Niemand singt derzeit charmantere Popsongs auf Deutsch als Anna Mabo.“ Auch Wienerlied-Legenden wie Ernst Molden lassen sich leicht von ihr begeistern: „Was Anna Mabo denkt und dichtet und singt, kommt wie ein Geschoss bei der Hörerin und beim Hörer an. Aber niemals geht solche Klarheit auf Kosten der Poesie: Die Songs nehmen Abzweigungen, legen falsche Spuren. Doch am Ende ist man das, was der Angelsachse zu aufgeklärt sagt: enlightened.“

Wenn Anna Marboe nicht gerade inszeniert oder selbst auf der Bühne steht, kuratiert sie – gemeinsam mit dem Elektronikmusiker Dorian Concept – aber auch schon mal ein Popfestival wie das viertägige Wiener Popfest oder schreibt ein Lied fürs Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. Wie offen und beweglich sie als humorvolle Weltbetrachterin ist, zeigt sie wie in der Nussschale aber auch immer wieder mit ihren Collagen, die auf ihrer Website zu sehen sind. Poetische Miniaturen, in die sie Begegnungen oder Erlebnisse aus ihrem Alltag einfließen lässt.

Nach ihrer heiter-nachdenklichen Inszenierung von Jenny Jannowitz in der Spielzeit 2021/22 wird ab 24. Mai eine neue Regiearbeit der vielseitigen Künstlerin am Landestheater Linz zu sehen sein: die Österreichische Erstaufführung von PeterLichts Der diskrete Charme der Bourgeoisie, eine herrlich abgedrehte Überschreibung von Luis Buñuels Filmklassiker für das 21. Jahrhundert.

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