Doch handelt es sich bei dieser weit verbreiteten Auffassung nicht doch um ein großes Missverständnis? Vieles deutet darauf hin. Nicht zuletzt bei Aristoteles lassen sich Hinweise finden, die den befreienden und demokratischen Charakter der Komödie unterstreichen. In einigen Andeutungen hatte er etwa zu erkennen gegeben, dass die selbstbestimmte und freie Polis der Nährboden für die Komödie gewesen sei. Dies spiegelt sich auch in der Komödienstruktur wider, die, wie Friedrich Dürrenmatt schreibt, „Dichtung in ihrer demokratischen Form“ ist. Auch Friedrich Nietzsche erhebt seinerseits das lebensbejahende Gelächter über die bierernste moralische Botschaft. Denn steht am Ende der Tragödie stets der Tod, so am Ende der Komödie das Leben. Kommt in der Tragödie die Einsicht der Helden unausweichlich zu spät, ist es in der Komödie immer möglich, sich überzeugen zu lassen und die Perspektive zu ändern. Ist der Held der Tragödie ein:e Einzelkämpfer:in, bewegen sich die Protagonist:innen der Komödie eng eingebunden in der Gesellschaft. Zudem wird das Lachen in der Antike als etwas Göttliches verstanden. Das sogenannte „Homerische Gelächter“ ist wohl das bekannteste und älteste Zeugnis dafür, dass die göttliche Leichtigkeit über dem ernsten Erdentreiben steht und sogar friedenstiftend wirkt. Eindrücklich hält der deutsche Germanist Bernhard Greiner fest: In der Ilias ist der Streit auf Erden zwischen Achill und Agamemnon, der viele das Leben kosten wird, auch unter die Götter geraten. Zeus hat Thetis den Wunsch erfüllt, solange die Troer siegen zu lassen, bis dem Zorn des Achill Genüge getan ist. Hera, ihrerseits auf Seiten der Griechen, erkennt die Ungerechtigkeit und ihr Streit mit Zeus droht zu eskalieren wie jener der Griechen mit den Troern. Doch dann taucht der Gott Hephaistos auf und hält eine kluge Rede. Aber nicht die Rede überzeugt. Hephaistos hinkt und seine Erscheinung wirkt grotesk. Dies löst „unermessliches Lachen bei den seligen Göttern“ (Ilias) aus und der Streit, welcher auf Erden erbittert weitergeführt wird, ist unter den Göttern beigelegt.
Es ist also durchaus verwunderlich, dass Komödie und Tragödie nicht als zwei gleichberechtigte Seiten einer Medaille betrachtet wurden und werden. Umberto Eco hat einmal augenzwinkernd bemerkt, dass die Geschichte Europas leichter und fröhlicher ausgefallen wäre, würde der zweite Teil der aristotelischen Poetik noch existieren. Zudem würde man sowohl die Tragödie als auch die Komödie verfehlen, wenn man sie als streng geschieden voneinander denken würde. Denn die Tragödie kennt beschwingte und heitere Momente. Umgekehrt ist die Komödie auch nicht frei von ernsthaften Inhalten. Eindrucksvolle Beispiele lassen sich bei einem der größten Dichter der Literaturgeschichte ablesen. In William Shakespeare hat die Dramatik nämlich einen Autor gefunden, der nicht nur große Tragödien, sondern ebenso viele bedeutende Komödien geschrieben hat. Und insbesondere seine Komödien kommen nicht ohne leise, dunkle Fragezeichen aus, die seine Stücke – trotz des obligatorischen „Happy Ends“ – als ebenso ernstzunehmende Literatur ausweisen würden. Selbst ein Stück wie Viel Lärm um nichts, eines seiner heitersten Stücke, besticht durch einen erkennbaren Grad zwischen ernsthaftem Hintergrund und lustvollem Spiel, zwischen bösartiger Intrige und wohlwollendem Verwirrspiel sowie liebenswerten als auch destruktiven Tölpeln.