Du bist Regisseur, Ausstellungsmacher, Autor in verschiedenen Genres. Du hast Drehbücher für Spielfilme und Dokumentationen verfasst. Was würdest du als deinen Hauptberuf bezeichnen?
Ich würde mich mittlerweile als Regisseur bezeichnen. Was ich an all den unterschiedlichen Arbeiten mochte, war die Verbindung zwischen Denken und Praxis, oder mit den Worten des großen, vergessenen Bühnenbildners Horst Sagert: „Das Schöne am Theater ist, dass man Gedanken sehen kann.“ Es geht also nicht nur um geistige Masturbation, sondern immer darum, etwas herzustellen. Möglichst etwas, das einen „Gebrauchswert“ hat: eine Inszenierung, ein Buch, einen Film, der in der Auseinandersetzung mit der Welt entsteht, in der ich lebe; immer mal wieder auch im Wahn, dass ich etwas herausgefunden habe, was neu war bzw. unbedingt auch neu erzählt werden musste.
Es ist ein ungeheures Privileg, sich mit Dingen sehr intensiv beschäftigen zu können. Ein Bei-spiel: Ich habe für Dantons Tod Jules Michelets dreibändige Geschichte der Französischen Revolution gelesen. In der Aufführung übriggeblieben ist das (biografisch verbürgte) Stottern von Camille Desmoulins. Das allerdings war ein großer Moment, wenn der zum Tode Verurteilte auf dem Schafott stottert.
Kannst du einige Lieblingsprojekte aufzählen?
La Mision in Cordoba/Argentinien, Verkommendes Ufer in Neu Delhi, Hamletmachine in Melbourne, Brecht probt Galilei als CD, Waste Land als Hörspiel in Toronto, Heiner Müller/Erich Wonder-Ausstellung in Berlin, Das unschuldige Werk und Parsifal in Linz.
Du hast auf verschiedenen Kontinenten, in verschiedenen Sprachen gearbeitet.
War deine Arbeit in so unterschiedlichen Kulturen je eine ganz andere?
Meine Arbeiten sind immer unterschiedlich. Die Ästhetiken entwickeln sich aus den Stücken. Das Sparschwein, Julius Caesar und Das unschuldige Werk sind ästhetisch sehr verschieden. Im Ausland hat mich immer die Realität dieser Länder, deren Kultur interessiert und natürlich die anderen Erfahrungen: In Kanada die Kriegserlebnisse alter Männer, in Argentinien die Verbindung von Tango und Stalingrad, bzw. von Liebe und Totentanz, in Indien das Formbewusstsein des indischen Theaters, das durch starke Individuen in ein existenzielles Erlebnis getrieben wird. Ich habe immer versucht, auf die Orte zu reagieren, ohne dass ich meine Subjektivität, meinen Blick auf die Dinge, meine ästhetischen Vorstellungen aufgegeben habe.
Hat sich deine Wahrnehmung des österreichischen Theaters durch die Linzer Zeit geändert?
Ich hatte vorher keine Vorstellung vom österreichischen Theater. Es gibt hier eine Sehnsucht nach dem durch Schauspieler ausgelösten Erlebnis. Es ist prinzipiell gefühlsbasierter, mehr an Psychologie interessiert. In Deutschland, selbst im Westen, hat Brecht eine größere Rolle gespielt, dabei vor allem das nichtpsychologische Theater. Wichtig war für mich hier die Entdeckung des Dialekts, auch wenn es erst in meiner letzten Arbeit geschah. Im Dialekt kommen die Schauspieler zu sich, mit allen Möglichkeiten, aber auch mit allen Gefährdungen.
Du hast mit vielen Großen der Theaterkunst gearbeitet: Peter Zadek, Heiner Müller, Marianne Hoppe, Bernhard Minetti, Walter Schmidinger. Haben diese Begegnungen deine Sicht auf das Theater geprägt?
Ja, auf unterschiedliche Weise. Bei Müller die große Form und die Anarchie im Denken, bei Zadek die Angstfreiheit im Umgang mit Popkultur, das Dreckige. Von Marianne Hoppe der sprachliche Umgang: ein „Augenblick“ war bei ihr auf der Bühne ein „Augen-Blick“. Und bei Schmidinger die dünne Schicht schauspielerischer Behauptung über der existenziellen Gefährdung.
Du hast in Linz viel Arbeit auf den Aufbau und die Pflege des Ensembles verwendet. Verrätst du ein Geheimnis über den Umgang mit Schauspieler:innen?
Der Versuch, ein Klima der Angstfreiheit herzustellen. Ich weiß, dass das nicht immer gelingt, weil man ja auch eine Projektionsfläche ist. Aber das war vielleicht das wichtigste, was ich von Heiner Müller gelernt habe: Angstfreiheit in einer von Angst besetzten Gesellschaft. Das ist auch auf heute übertragbar.
Was nimmst du mit aus Linz?
Meine Bücher.