Wir am Landestheater entdecken euren Vater, Joseph Beer, gerade im Zuge unserer Inszenierung von Polnische Hochzeit, einem Stück, das er 1938 komponiert hat und mit dem er zum Superstar des Genres wurde. Was müssen wir über ihn wissen?
Béatrice Beer: Unser Vater wurde 1908 geboren, er war so eine Art musikalisches Wunderkind, lernte früh Klavier und hat sich im Alter von nur sieben Jahren ein eigenes Notationssystem für seine Musik ausgedacht. Er wuchs in Lwiw auf, das heute in der Ukraine liegt, damals aber zu Polen gehörte. Er hat sich zwar immer polnisch gefühlt, aber das Verhältnis war schwierig.
Suzanne Beer: Eigentlich sollte er Jurist werden, darauf bestand sein Vater, unser Großvater. Unsere Großmutter allerdings hat ihn in seinem Wunsch, Komposition zu studieren doch sehr unterstützt und so durfte er, nach einem angefangenen Jurastudium, schließlich nach Wien gehen, um dort an der Hochschule zu studieren. Er kam sofort in die Meisterklasse von Joseph Marx, der zu seinem Förderer wurde. Von da an ging alles sehr schnell, er komponierte ziemlich viel, das Meiste davon ist heute aber verloren. Aber 1934 wurde seine erste Operette Prinz von Schiras uraufgeführt und die machte ihn zum Star. Genauso mit Polnische Hochzeit.
B.B.: Man spielte seine Werke in ganz Europa! Richard Tauber sollte die Rolle des Boleslav in Polnische Hochzeit singen.
Vor ungefähr 80 Jahren war euer Vater also ein junger Mann, der riesigen Erfolg hatte. Daran knüpfte er nach dem Krieg nicht an, wisst ihr warum?
B.B: Wir wissen natürlich nicht, wie er vor dem Krieg war, aber offenbar war er wie ausgewechselt, ein ganz anderer Mensch. Jetzt wo wir Polnische Hochzeit kennen, wissen wir auf jeden Fall, dass sein Kompositionsstil sich vollkommen verändert hat. Für ihn war das ein Jugendwerk, mit dem er sich nicht mehr so richtig identifizieren konnte. Außerdem hatte er nach Kriegsende das Vertrauen in seine Kollegen verloren, es gab zu viele Menschen, die mit den Nazis sympathisiert hatten und auch danach noch im Musikgeschäft waren.
S.B.: Er war sicher kein einfacher Mann, stur und willensstark. Aber ich erinnere mich, dass er immer komponierte. Wenn wir ins Bett mussten, war er noch lange nicht fertig und wenn wir morgens in die Schule mussten, war er erst kurz vorher zu Bett gegangen. Sein Leben war die Musik, nicht dieser frühere Ruhm, der nie zurückkehrte.
Das heißt, euer Vater hat bis an sein Lebensende komponiert?
B.B.: Ja, er hat ja ein ziemlich langes Leben geführt, er wurde 79 Jahre alt und hat wirklich all die Jahre über weiter komponiert. Aber da er so ein anderer Mensch geworden war, hatte sich auch seine Arbeit verändert. Wenn er über seine frühen Werke erzählte, dann wissen wir, er hat Stücke wie Prinz von Schiras oder Polnische Hochzeit in ein paar Wochen komponiert, das war mit seinen späteren Kompositionen ganz anders, die kosteten ihn Jahre.
S.B.: Das Verhältnis zur Musik war sehr ambivalent, er wollte nicht zu intellektuell sein in seinen Stücken, er sehnte sich danach, mit seinen Kompositionen die Leute wirklich zu erreichen und zu berühren. Aber natürlich war die Musiklandschaft nach dem Krieg eine ganz und gar andere geworden und er war mit seinem Stil nicht mehr „en vogue“. Verbiegen wollte er sich nicht, es war sicher auch kompliziert für ihn – immerhin war er vor dem Krieg als einer der großen, erfolgreichen und talentierten Komponisten von zahllosen Opernhäusern regelrecht hofiert worden. Wie geht das Leben danach weiter? Das muss unsagbar schwer gewesen sein.