Lars von Trier untersucht in seinem Stück Der Boss vom Ganzen eben diese Situation. Ein auch nicht mehr ganz junger Mann bekommt den Job, in einer ihm bis dahin fremden Branche (Informations-Technologie) den Chef zu spielen. „Spielen“ ist dabei wörtlich zu verstehen. Der Mann ist Schauspieler und hat keine wirklichen Befugnisse. Er soll aber in einer schwierigen Situation, in der die Mitarbeiter:innen des Unternehmens nach dem Chef verlangen, für diese da sein und die komplizierten Übergänge moderieren (die Firma wird verkauft). Der Trick dabei: Die Mitarbeiter:innen wissen nicht, dass der Schauspieler – er heißt Kristoffer – ein Schauspieler und nicht ihr Chef ist. Ihnen wurde jahrelang erzählt, der Chef sei in Amerika und habe keine Zeit, seine Firma zu besuchen. Hin und wieder schrieb dieser Chef E-Mails. Die kamen allerdings von einem Mitarbeiter der Verwaltung, der der heimliche Besitzer des ganzen Unternehmens ist.
Das Notwendigste: Worauf Sie als Chef achten müssen!
Respekt gebieten: Sich von anderen Chefs, Geschäftspartnern, Konkurrent:innen nicht unterbuttern lassen: Freundliches, aber bestimmtes Auftreten. Langsame Bewegungen, langsame Sprache. Nicht zu laut sprechen, Stimme nicht zu hoch erheben. Lieber eine tiefe Stimme, aber: nicht auf den Boden schauen, um Blicken auszuweichen. Und: nicht versuchen, absichtlich dominant zu wirken.
Informieren Sie sich, was Ihre Firma herstellt (Fachliteratur)!
Wichtig ist es, eine ungefähre Vorstellung davon zu haben, was die Firma herstellt oder welche Dienstleistung sie anbietet. Das ist gut für Small Talk auf dem Gang und, um peinliche Glitches zu vermeiden. Aber: Vorsicht vor Fachausdrücken! Leicht vertauscht ein Chef „Outsourcing“ und „Offshoring“. Darum auf keinen Fall auf Fachdiskussionen einlassen. Angestellte kennen Details, von denen Sie noch nie gehört haben. Drehen Sie lieber schnell den Spieß herum und stellen Forderungen: „Leistungssteigerung“. „Mehr Effizienz“. „Bessere Kommunikation“. – Achten Sie jedoch darauf, die Mitarbeiter:innen nicht zu ärgern. Diese können sich leicht revanchieren. Insbesondere nicht auf Rechthabereien einlassen. Wir leben im Zeitalter des Fact Checks. Aber:
Hören Sie Ihren Angestellten zu!
Gern verstecken Angestellte hinter sachlich wirkenden Erklärungen wichtige Aussagen. Wie leicht lässt sich ein Chef vom moderaten Ton der Gespräche um ihn einlullen und versäumt wesentliche Hinweise. Seien Sie hellhörig wie ein Luchs! Insbesondere, wenn Sie den ersten Eindruck haben, dass das jetzt ja mal ein ganz besonders uninteressantes Thema ist. Und auch persönliche oder sogar emotionale Mitteilungen von Mitarbeiter:innen können wichtig sein. Hier steckt der Teufel häufig im Detail. Achten Sie auf jedes Wort. Auch Zwischentöne können von Bedeutung sein.
Keine schriftlichen Spuren hinterlassen.
Auf keinen Fall sollten Sie selbst E-Mails schreiben. Jedes Schrifterl ist ein Gifterl. Wenn Sie selbst schreiben, legen Sie sich fest und liefern gleichzeitig den schriftlichen Beweis dazu. Sollten Sie nicht drum herumkommen, Entscheidungen zu treffen, geben Sie einer Mitarbeiter:in eine ungefähre Anweisung. Stellt diese sich im weiteren Verlauf als ungünstig heraus, können Sie später auf ein Missverständnis oder Mutwillen der Mitarbeiter:in verweisen. Keine Spuren hinterlassen. Schriftlich werden nur nach Prüfung durch einen Juristen.
Was tun, wenn Sie von Mitarbeitern tätlich angegriffen werden?
Eine schwierige Situation. Im ersten Augenblick wird es vor allem wichtig sein, würdevoll wieder aus der Lage herauszukommen. Insbesondere, wenn weitere Mitarbeiter:innen Zeug:innen der Attacke wurden. Stehen Sie einfach auf und versuchen Sie, sicheren Schrittes den Schauplatz zu verlassen. Streckt der Angreifer Ihnen seine Hand zur Versöhnung hin, sagt er: „Ich hatte mich nicht unter Kontrolle“: Vorsicht! Er könnte noch einmal zuschlagen. Lieber geraden Weges weggehen, wenn auch nicht zu schnell. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass Sie in die Flucht geschlagen wurden. Sind Sie in Sicherheit, können Sie anwaltliche Schritte prüfen. Aber: Mitarbeiter:innen, die den Chef verprügeln, haben häufig Gründe. (Gab es Vorfälle in der Vergangenheit? Unfaire Arbeitsverhältnisse? Gebrochene Versprechen?) Diese könnten wiederum auf Sie zurückfallen. Auch das öffentliche Echo spielt hier eine Rolle. Die umgekehrte Taktik (bieten Sie dem Mitarbeiter Geld, eine Gehaltserhöhung) kann in solchem Falle angezeigt sein.
Werden Sie eins mit Ihrer Cheffigur.
Die Angestellten müssen ihren Chef „lesen“ können. Das heißt, sie kennen seinen Kontext, wissen, wo er herkommt und wohin er will. Der Chef ist wie eine Figur in einem Theaterstück. Er sollte psychologisch konsistent handeln. Unterlassen Sie es, die Figur mitten im Spiel zu ändern, erinnern sie sich – wenn es möglich ist – was Sie in früheren Episoden von sich gegeben haben. Insbesondere persönliche Angaben (Ist der Chef verheiratet, heterosexuell, hat er Kinder, Autos, politische Ansichten?) sollten konsistent sein. Machen Sie sich notfalls Spickzettel. Einzelne Unverständlichkeiten, sogenannte Rätsel, sind erlaubt, können Ihre Figur sogar aufwerten. Der Chef hat ein skurriles Hobby, liebt Krawatten aus den 70ern, sammelt schweizerische Rahmdeckeli? Diese Elemente machen Ihre Figur kostbar, aber immer vor dem Hintergrund einer insgesamt konsistenten Anlage.
Was tun, wenn Sie feststellen, dass Sie eine Affäre mit einer Mitarbeiterin, einem Mitarbeiter hatten?
Insbesondere, wenn Sie die Rolle einer erfundenen Cheffigur übernehmen, kann es passieren, dass Ihre Vorgeschichte Überraschungen birgt. Wie zum Beispiel die erotische Affäre mit einer Angestellten. Via E-Mail. Doch auch wirkliche Chefs werden immer wieder von der eigenen Vorgeschichte überrascht. Das können unangemessene Kontakte sein, Vermischung von privaten und beruflichen Beziehungen (in beiden Richtungen), unbedacht gegebene Versprechen und Inaussichtstellungen, unbedacht gemachte Unterschriften unter Schriftstücke und Prüfberichte. Selbstanzeigen können hier das letzte Mittel sein. Besser allerdings sind Prüfverfahren, die Sie selbst beauftragen und im Sand verlaufen lassen können.
Verwechseln Sie die Wirkung Ihrer Macht nicht mit wahrer Freundschaft.
Angestellte mögen über Ihre Witze lachen oder Ihnen helfen, Ihren Weihnachtsbaum zu kaufen. Aber rufen Sie sie auch noch an, wenn Sie einmal in Rente gehen? Viele Chefs bleiben am Ende ihrer Laufbahn missbraucht und enttäuscht zurück. Sie waren gut genug, Gehaltserhöhungen zu geben und Weihnachtsgeschenke zu machen. Sind Sie plötzlich nicht mehr Chef, erkennen Ihre Angestellten Sie kaum auf der Straße. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal auf dem Betriebsfest die Stimmungskanone geben!
Das Wichtigste für jeden Chef ist eine gute Schauspieltheorie. Sei es Stanislawskij, Strasberg oder Wachtangow. Sie müssen wissen, was Sie tun und warum Sie es tun. Wichtiger als Natürlichkeit ist das Verständnis Ihrer eigenen Sätze. Fallen Sie nicht aus der Rolle. Bleiben Sie Ihrer Figur treu. Seien Sie der erste Diener Ihres Unternehmens. Dann kann eigentlich nichts schiefgehen.
Und sollten Sie noch immer Fragen haben, kommen Sie ins Schauspielhaus und schauen sich Der Boss vom Ganzen in der Inszenierung von Stephanie Mohr an.