Das erste Werk, Fall, wird von Acacia Schachte und Gabor Kapin (Cherkaouis choreografische Assistent:innen) einstudiert. Das zweite Stück, Orbo Novo, wird von Cherkaoui selbst zum Teil neu kreiert und rekonstruiert. Auch hier trägt Acacia Schachte eine entscheidende Verantwortung bei der Einstudierung. TANZ LINZ arbeitet in diesem Projekt eng mit der Oberösterreichischen Tanzakademie zusammen unter der künstlerischen Leitung von Ilja van den Bosch.
FALL – DIE INSPIRATION HINTER DEM TITEL
Der Titel Fall verweist sowohl auf die Jahreszeit, in der das Werk entstanden ist – den Herbst – als auch auf den Prozess des „Fallens“, der in vielen Kulturen und Philosophien als Übergang und Verwandlung verstanden wird. Für Cherkaoui ist das Fallen eine Bewegung, die den gesamten kreativen Prozess durchzieht. „Das Fallen aus der Gnade, das Aufstehen – diese Ideen inspirierten das Werk und sind tief in meiner Bewegungssprache verwurzelt“, erklärt der Choreograf. Seine eigene körperliche Auseinandersetzung mit dieser Bewegung, die sich über Jahre entwickelt hat, wird in jeder Geste und jedem Schritt des Stücks spürbar.
EINE BEGEGNUNG MIT ARVO PÄRT
Die Musik von Arvo Pärt, ein Meister der minimalen, meditativen Klänge, hat Cherkaoui seit 1995 begleitet. Diese Musik ließ ihn nie mehr los, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis er selbst ein Werk zu den Kompositionen des estnischen Komponisten erschaffen würde. „Es fühlte sich an, als hätte ich endlich den Moment gefunden, diese Musik zu erforschen“, so Cherkaoui. Der kreative Prozess: vom Klassischen zum Experimentellen. Ursprünglich war Fall für Tänzerinnen und Tänzer auf Spitzenschuhen konzipiert. Doch Cherkaoui, der stets auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen ist, entschied sich, das Werk in einer neuen Version ohne Spitzenschuhe zu realisieren. „Ich dachte, dass das Fehlen der Pointe mehr Freiheit schaffen würde, aber tatsächlich wurde das Stück dadurch noch zerbrechlicher, sensibler und herausfordernder“, beschreibt der Choreograf.
ELEMENTE DER NATUR: BEWEGUNG ALS METAPHER
Die Inspiration aus der Natur zieht sich durch das gesamte Werk. Fall ist in mehrere „Kapitel“ unterteilt, die jeweils ein eigenes Element widerspiegeln: Wasser, Land, Luft, Feuer und Eis. „Die natürlichen Bewegungen, wie fallende Blätter und Tierformationen, waren große Inspirationsquellen für mich“, so Cherkaoui. Die Wechsel zwischen den Elementen spiegeln nicht nur den Zyklus der Jahreszeiten wider, sondern auch die kontinuierliche Bewegung und Veränderung im Leben des Menschen.
Fall ist für Cherkaoui eine Einladung zur Kontemplation. Er hofft, dass das Publikum das Werk als einen Moment der Ruhe und Besinnung wahrnimmt. In der heutigen, hektischen Welt bietet Fall eine willkommene Auszeit, einen Raum für introspektive Gedanken und eine meditative Auseinandersetzung mit den natürlichen Prozessen des Lebens. Es ist ein Werk, das uns an die Zerbrechlichkeit und gleichzeitig an die Stärke menschlicher Bewegung erinnert – in ihrer reinsten Form.