Eine zeitlose Komödie

Gespräch mit Susanne Lietzow zur Premiere des Komödienklassikers Pension Schöller.

PremierenfieberPensionSchöller

Am 2. Dezember hat die Komödie Pension Schöller in der Inszenierung von Susanne Lietzow im Schauspielhaus an der Promenade Premiere. Ein Biedermann aus der Provinz kommt in die Großstadt und will endlich auch einmal etwas erleben. Der Ausgangspunkt dieses klassischen Schwankes ist die fixe Idee seines Protagonisten, einmal im Leben ein psychiatrisches Institut zu besuchen und dessen Bewohner ungestört beobachten zu dürfen – damit er, wenn er wieder in seine Heimatstadt zurückkommt, seinen Stammtischbrüdern auch einmal etwas erzählen kann. Sein Traum wird dem Provinzbourgeois aber nicht erfüllt, stattdessen führt sein Neffe ihn in eine Hotelpension und behauptet, dass es sich dabei um das gewünschte Institut und bei den Bewohnern um Patient:innen handele. Aber hier werden die Ereignisse zunehmend grotesk.

Schauspieldramaturg Andreas Erdmann sprach vor dem Probenbeginn mit Susanne Lietzow, die gerade eine Oper inszenierte und zugleich die Vorbereitungen für die Proben an Pension Schöller abschloss. Sie sprechen über vergänglichen Humor und zeitlos Komisches, über die Epochen, welche sich für Lietzow in der Pension Schöller spiegeln, über ihre Arbeit mit den Schauspieler:innen und an der Schreibmaschine:

 

Frau Lietzow, das Stück Pension Schöller stammt aus dem 19. Jahrhundert, die Autoren der Urfassung heißen Carl Laufs und Wilhelm Jacoby. Seitdem wurde das Stück aber meist nicht im deutschen Original gespielt, sondern in Bearbeitungen. Werden Sie es auch bearbeiten?

Natürlich, man muss das Stück bearbeiten, es stammt ja aus dem Jahre 1890 und lebt in seiner eigenen Zeit. Allerdings haben die Autoren Laufs und Jacoby eine Komödienstruktur geschaffen, die so wunderbar funktioniert, dass dieses Stück auch immer weiter gespielt werden wird. Die Grundidee, durch eine Blickwinkelverschiebung Normalität als verrückt erscheinen zu lassen, ist großartig. Da stellen sich gleich Fragen wie: Was ist normal und was nicht? Gibt es das überhaupt, Normalität? Und wie verrückt ist jeder einzelne von uns, wenn wir den Blickwinkel verändern? Das allein finde ich schon mal hochspannend.

Ist es das, was das Stück noch immer aktuell sein lässt?

Genau, diese Grundidee. Die Details mögen sich ändern, aber die Idee ist zeitlos.

Es gibt ja auch in Österreich berühmte Fassungen der Pension Schöller, die auch vom ORF aufgezeichnet wurden, mit Maxi Böhm und eine jüngere mit Helmuth Lohner und mit Ossy Kolmann. Sind Ihnen die geläufig?

Ja natürlich! Mit denen ist man aufgewachsen. Die liefen sonntags nachmittags im österreichischen Fernsehen.

Hat man die, wenn man eine neue Bearbeitung des Stückes macht, im Hinterkopf?

Nein gar nicht, ich hab mir diese alten Aufzeichnungen bei der Recherche zu dem Stück natürlich nochmal angeschaut, und die sind ja sehr gut. Maxi Böhm zum Beispiel macht das einfach großartig. Aber auch diese Fassungen sind an ihre Zeit und auch an einen Schauspielstil gebunden der heute so nicht mehr funktioniert.

Sind Sie als Komödienbearbeiterin und -autorin politisch korrekt?

Nein. Ich verlege das Stück unter anderem deshalb auch in die 70er Jahre. Genauer gesagt, gibt es zwei Gründe, weshalb ich meine Fassung der Pension Schöller in die 70er verlege. Der erste ist die ungeheuerliche politische Unkorrektheit dieser Zeit, die einem heute sofort ins Gesicht schlägt, wenn man sich zum Beispiel Fernsehshows dieser Epoche anschaut. Da gehen einem heute ja die Augen und die Ohren über. Und dann gibt es noch einen zweiten, sogar noch wichtigeren Grund für diese zeitliche Verortung. Ich finde nämlich, dass es in den 70ern in den Menschen ein Gefühl gab, man könne die Welt verändern. Ich nenne es mal einen Atem der Freiheit. Leider ging dieses Gefühl schon in den 80ern wieder verloren. Aber diesen Atem der Freiheit möchte ich in das Stück hineinbringen. Wir haben es dort ja mit Provinz-Schnarchnasen zu tun, die in das Berlin der 70er kommen und dort eine Welt erleben, die ihnen einen Horizont eröffnet.

Susanne Lietzow
Susanne Lietzow | Foto: Victor Malyshev

In der deutschen Urfassung steckt ja auch noch das Weltbild des Wilhelminischen Kaiserreiches. Spielt das in der Arbeit an dem Text für Sie eine Rolle?

Es gibt in dem Stück einen traumatisierten Kriegsveteran, der wird bei uns zu einem Stalingradüberlebenden. Und die Figur des Philipp Klapproth versucht, der Spießigkeit der deutschen Nachkriegszeit, dieser scheinbar heilen Welt der 50er, die in der Provinz ja noch lebendig war, zu entfliehen. In das Milieu der Großstadt. Diese war ja bereits ganz im Aufbruch.

Ein Mann aus der Provinz kommt in die Großstadt und in seinen Augen ist das exzentrische Verhalten der Stadtbevölkerung total verrückt. Aber gibt es für uns Heutige eigentlich noch so etwas wie exzentrisches Verhalten? Ist für uns nicht ohnehin alles erlaubt?

Ich muss sagen, ich empfinde die Gesellschaft heute eher als ein bisschen langweilig. Seit den 70ern hat es mehr als einen konservativen Schub gegeben.

Sie kombinieren eigentlich zwei Zeiten in dem Stück, die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts und den Blick, den wir von heute auf diese Zeit werfen.

Genau.

Bis jetzt habe ich mit Ihnen als der Autorin und Bearbeiterin des Stücks gesprochen. Jetzt wende ich mich an die Regisseurin: Macht es für Sie als Regisseurin einen Unterschied, ob Sie eine Komödie inszenieren oder ein ernstes Stück?

Eigentlich nicht. Ich muss die Figuren genauso ernst nehmen wie in einer Tragödie. Die Spielweise ist eine andere, die Schauspieler:innen dürfen die Typen stärker zeichnen, schärfer auch.

Es macht also eher für die Schauspieler:innen einen Unterschied, ob sie eine Komödie spielen oder ein ernstes Stück?

Alle Komödienfiguren müssen einen tragischen Kern haben, sonst sind sie nicht witzig. Das ist ja fast schon Allgemeingut. Man sieht es beispielsweise bei Buster Keaton mit seiner Traurigkeit: Die raucht nur so aus ihm heraus und zugleich ist sie es, die ihn so komisch macht. Jede Figur braucht eine Suche, einen Willen. Deswegen kann ich persönlich nicht so viel mit der Commedia dell’arte als Komödiengattung anfangen, weil die so einen veräußerten Komödienstil hat. Ich finde das nicht witzig.

Im Literarischen Quartett fragte Marcel Reich-Ranicki einmal, wie sich eigentlich Elfriede Jelinek jeden Morgen neu in die Verfassung bringt, in der sie nach dem Frühstück an der Schreibmaschine sich wiederum genauso auszukotzen in der Lage sei wie am Tag zuvor. Wie machen Sie das als Komödienautorin? Wie bringen Sie sich, wenn Sie sich an die Schreibmaschine oder den Computer setzen, in den Zustand, in dem Sie komisch sind?

Die meisten Sachen entstehen eigentlich, wenn ich durch den Wald laufe. Oder irgendwo anders laufe. Da sieht man mich dann manchmal plötzlich stehenbleiben und lachen. Und wenn ich nach Hause komme, schreibe ich das hin. So funktioniert das bei mir.

Liebe Frau Lietzow, vielen Dank für das Gespräch.

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